Ein kurzer Eindruck und ein persönliches Fazit zu Affinity Photo. Ist es wirklich ein Adobe Photoshop Killer? Was kann es und wo sind seine Grenzen?

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Uwe B. Werner
Kommt hier der Photoshop Killer?
Affinity Photo fiel mir schon vor einiger Zeit auf, als ich mich für eine Alternative für Adobe Photoshop interessierte. Im professionellen Bereich schien Adobe bisher immer der Maßstab zu sein. Kaum etwas ging daran vorbei. Vor allem mit Photoshop hatte Adobe es über die Jahre geschafft einen festen Platz in der Bildbearbeitung einzunehmen.
Seit der Umstellung auf das Abo-Model bei Adobe wachsen jedoch Bekundungen von Nutzern im Internet, die damit nicht glücklich sind. Zudem erscheint das Abo-Spektrum etwas merkwürdig, so kostet eine Einzelprogramm-Abo mehr als ein Bundel, wo eben dieses Programm auch mit drin ist. Es war also genau die richtige Zeit für Affinity Photo durchzustarten. Der Zulauf, wenn man den Zahlen und den Beiträgen in div. Gruppen trauen darf, scheint ungebremst.
So nahm ich mir die Photo-Shop Konkurrenz mal genauer vor. Selbstbewusst heißt es auf der eigenen Webseite:
Affinity Photo hat sich mittlerweile zur ersten Wahl vieler Foto- und Kreativprofis auf der ganzen Welt entwickelt, die ganz begeistert von seiner Geschwindigkeit, Leistung und Präzision sind.
Performance und Kompatibilität
MacOS, Windows und iOS (für IPads) werden hier gleichermaßen bedient. Fehlt eigentlich nur eine Android-taugliche Adaption. Bei Photoshop hatte ich, je nach Bildgröße und Auflösung öfter mal das Problem, dass es auf einem nicht ganz brandaktuellen Rechner ruckelte oder Denkpausen benötigte. Gespannt war ich daher vor allem auf die Performance und Kompatibilität von Affinity Photo.
Photoshop Dateien lassen sich problemlos öffnen und bearbeiten und auch wieder als Photoshop-Datei exportieren. Das geht alles sehr schnell und problemlos. Gleiches gilt auch für andere Dateiformate wie Adobe Illustrator und andere. Auch die Exportmöglichkeiten sind beachtenswert. bei meinen zahlreichen Tests gab es bislang keine Probleme.
Was nicht funktioniert sind mit Photoshop erstellte Mockups, in denen mehrere Dateien zusammengefasst wurden. Man kann diese zwar öffnen, allerdings funktioniert das automatische Aktualisieren der Teildateien hier nicht. Verschmerzenswert für mich.
Dokumentengrößen lassen sich, ganz ähnlich wie auch bei Photoshop, über einen Menüpunkt, bzw eine Tastenkombi, ändern. Leider erscheint das Biuldmaterial dann zunächst unscharf, da die Darstellung nicht angepasst wird und man dann erst manuell wieder einstellen.
Die Oberfläche lässt sich anpassen, sowohl in der Farboptik, als auch in Größen der Werkzeugdarstellung. Es lassen sich eigene Tastaturkürzel erstellen und Photoshop-Plugins einbinden.

Das Handling
Wer, wie ich, jahrelang mit Photoshop gearbeitet hat, ist ein gewisses Handling gewöhnt. Da fällt es oft schwer für eigentlich geübte und innerlich fast schon automatisierte Vorgänge, nun plötzlich auf ein neues Programm umzusteigen.
Affinity hat sich, wie ich finde, hier viel Mühe gegeben, dem User auf der einen Seite, ein durchdachtes innovatives und doch vertrautes Gefühl in der Oberfläche zu geben und sich andererseits nicht als reine Kopie zu präsentieren.
Die Einbindung von Unplash, Pexels und Pixabay als Lieferanten von Stockphotos und Hintergründen sehe ich eher kritisch. Man muss den Nutzungsbedigungen zustimmen, man kann durch ein Doppelklick auch direkt auf die Seitenansicht im Browser gelangen, aber wer dort gefundenes Material einfach in den Arbeitsbereich zieht, weiß weder welche CreaticveCommons Lizenzen letztlich hinterlegt sind.
Ein ziemlich intelligenter Assistent legt bei Bedarf z.B. neue Ebenen an. Darüber gibt es ein kleinen Fenster-Hinweis. Das Ganze lässt sich aber auch mit einem Klick abschalten, so das es nicht unnötigt nervt.
Manche Funktionen sind allerdings bei Affinity völlig anders angeordnet oder scheinen auf den ersten Blick gar zu fehlen. Es gilt sich ausreichend Zeit zu nehmen um sich mit allem vertraut zu machen. Es gibt bei Youtube dazu gute Tutorials.

Das Persona Prinzip
Auch wenn man die Bezeichnung „Persona“ hierzulande eher im Bereich Marketing ansiedelt, ist es ein recht interessantes Konzept, was Affinity hier einsetzt. Innerhalb eines Programms kann es unterschiedliche „Personas“ geben. man könnte es am besten mit Abteilungen übersetzen. Die Standardpersona ist die reine Bildbearbeitung, die man kennt. Daneben gibt es zum Beispiel aber auch eine „Liquify-Persona“, also etwas was man auch aus Photoshop zur Verflüssigung von Bildern kennt. Dort allerdings übers Menü, hier als eigene Abteilung, in der sich dann auch komplett die Werkzeuge und Ansicht ändert.
Gleiches gibt es für das Entwicklermodul, welches nicht nur für RAW-Datein genutzt werden kann. So lässt sich die Oberfläche aufgeräumt halten, ohne an Funktionen zu verlieren. Auch das Tone-Mapping erhielt eine eigene Persona, ebenso wie die Exportfunktion. Hier wird die Vielzahl der Möglichkeiten deutlich. Am Anfang fand ich das Prinzip etwas verwirrend, aber habe mich schnell daran gewöhnt, zumal mit dem Studio-Link und dem perfekten Zusammenspiel mit anderen Affinity-Programmen, noch ausgebaut wird. Dazu aber ein andermal mehr.
Fazit über Affinity Photo
Vielfach wirkt Affinity Photo durchdacht und intuitiver als Adobes Photoshop. In Der Performance schlägt es sich mehr als nur gut. Zusätzliche Möglichkeiten in den Einstellungen lassen hier auch ältere Rechner noch gut aussehen.
Einsteiger werden hier, genau wie bei Photoshop auch, von der Vielzahl der Möglichkeiten erschlagen, jedoch bieten „Personas“ und zahlreiche Tutorials als Videomaterial eine gute Einstiegshilfe. Das Zusammenspiel mit anderen Programmen ist mehr als vorbildlich. Hier darf sich Adobe gern mal was abschauen.
Das richtige Killerkriterium ist sicherlich der Preis. Statt monatlich ordentlich in die Tasche zu greifen, gibt es hier einen Einmalkauf mit Updategarantie. Mit etwas über 50 Euro ist man schon dabei, divserse Zusätze, Pinsel, Fonts etc lassen im Shop ebenfalls recht preisgünstig erwerben.
Ist Affinity Photo nun der viel berufene Photoshop-Killer? Sie sind sich beide ähnlich und haben doch andere Ansätze. Von der Qualität, der Perfomance und dem Leistungsumfang steht Affinity Photo dem Platzhirschen Photoshop sicherlich in nichts nach, trotzdem werden die meisten aus der Macht der Gewohnheit vielleicht nicht wechseln wollen.
Ich persönlich nutze es indessen im Zusammenspiel mit anderen Affinity Programmen und bin, wie man vielleicht am Artikel bemerkt, überwiegend begeistert. Man kann es direkt auf der Webseite im Store oder z.B. auf dem Mac auch im AppStore erwerben.
Gewohnheit spielt hier auch eine große Rolle. Ich nutze für die Rasterbilder Adobe Photoshop und für Vektorgrafiken Corel Draw. Ich habe auch mehrere kostenlose Open-Source-Alternativen getestet – leider ohne große Erfolge. Keine der Lösungen konnte mich überzeugen. Nach einigen Stunden Ausprobieren kommt man wieder zurück zu den bekannten Werkzeugen und Arbeitsmasken. Bei kostenlosen Lösungen hat mir aber auf jeden Fall GIMP ganz gut gefallen.